Ende 2005 suchte mich der Witwer seiner verstorbenen Frau auf. Die 46 Jahre alte Frau war, wie sich letztendlich herausstellte, an den Folgewirkungen von Brustkrebs in Form von Fernmetastasen im ganzen Körper verstorben.
Der Mandant, nunmehr alleinerziehender Vater mehrerer Kinder, war vermögensloser
"Hartz IV" -Bezieher. Die anwaltliche Tätigkeit erfolgte daher für drei Jahre im Wege
"anwaltlicher Vorfinanzierung" auf Beratungshilfebasis für 99 € aus der Staatskasse.
Die Patientin hatte noch drei Monate vor ihrem Tod bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen in Hannover den Antrag auf das Schlichtungsverfahren selbst gestellt.
Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens erhärtete sich der Verdacht, dass die Hausärztin bei der Patientin Brustkrebs fehlerhaft nicht erkannt und auch nicht rechtzeitig an den zuständigen Facharzt überwiesen hatte. Die im Rahmen des Schlichtungsverfahrens tätige ärztliche Gutachterin ließ allerdings offen, ob die Nichterkennung des Brustkrebses zum Tod der Patientin geführt habe. Sie war der Ansicht, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass zum Zeitpunkt der unterlassenen ärztlichen Behandlung das Karzinom bereits nicht mehr heilbar gewesen sei und daher die Patientin auch bei frühzeitigerem Erkennen des Brustkrebses an den Folgen der Behandlung gestorben wäre. Bei einem einfachen Behandlungsfehler wäre nunmehr die Patientenseite beweispflichtig gewesen, der Ärztin die Kausalität, also die Ursache des Nichterkennens des Brustkrebses für den Tod, nachzuweisen. Dieses wäre kaum möglich gewesen.
Mit einer ausführlichen anwaltlichen Stellungnahme zum ärztlichen Gutachten konnte die Schlichtungsstelle davon überzeugt werden, dass vorliegend eine fehlende Befunderhebung vorlag und bei (hypothetischer) Befunderhebung (Diagnose) sich ein reaktionspflichtiger Befund ergeben hätte, sodass nicht nur ein einfacher Behandlungsfehler, sondern ein grober Behandlungsfehler vorlag und deshalb von der Umkehr der Beweislast auszugehen war.
Die Schlichtungsstelle kam auf die anwaltliche Stellungnahme hin insbesondere zu dem Ergebnis im September 2007, es sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der unterlassenen ärztlichen Behandlung eine Metastasierung des Brustkrebses noch nicht eingetreten war und das Karzinom sich noch in einem heilbaren Zustand befunden habe. Vor diesem Hintergrund hätte der Tod der Patientin bei fachgerechter ärztlicher Befunderhebung und nachfolgend erwartungsgemäßer adäquater (angemessener) Therapie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können.
Aufgrund der Beweislastumkehr müsse die Ärztin beweisen, dass das Karzinom seinerzeit (zum Zeitpunkt der unterlassenen Befunderhebung) bereits metastasiert und nicht mehr kurabel (heilungsfähig) gewesen sei. Diesen Beweis konnte die Ärztin nach Auffassung der Schlichtungsstelle nicht führen.
Die Schlichtungsstelle hielt daher Schadenersatzansprüche für begründet und empfahl eine außergerichtliche Einigung.
Auf der Grundlage des Schlichtungsstellenspruchs konnte dann anwaltlich in harten Verhandlungen mit der ärztlichen Haftpflichtversicherung (diese zeigte erst einen Tag vor Einreichung einer Klage Vergleichsbereitschaft) 2008 ein außergerichtlcher Vergleich über die Zahlung von 110.000 € an Schadenersatz und Schmerzensgeld erreicht werden.