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Scheinselbständigkeit

 

In den Fällen von Scheinselbständigkeit werden tatsächlich abhängig Beschäftigte von Arbeitgebern formell als Selbständige "deklariert", um sich die Kosten ihrer sozialen Absicherung zu sparen.

 

Beispiele:

 

1) Europaweit und in den USA haben Fahrradkuriere gegen die Arbeitgeber geklagt, häufig erfolgreich. Die Fahrer waren in hohem Maß fremdbestimmt (weisungsgebunden), insbesondere durch zeitliche und örtliche Vorgaben über digitale Plattformen per Smartphone.

 

In Spanien wurde 2021 ein eigenes Gesetz (Rider`s Law) zur Festanstellung von Fahrradkurieren erlassen. Zuvor hatte bereits Spaniens Oberster Gerichtshof entschieden, dass Beschäftigte auf Fahrrädern oder Motorrädern nicht als Selbständige behandelt werden dürfen. Dieses betraf in erster Linie Fahrradkuriere, die im Auftrag von Internetplattformen wie Uber Eats, Deliveroo oder Glovo Essen auslieferten.

Das Gesetz war insbesondere deshalb interessant und rechtliches "Neuland", da es eine Rechtsvermutung dahingehend beinhaltet, dass es sich bei Tätigkeiten mittels digitaler Plattformen um abhängige Beschäftigung handelt, d.h. der Arbeitgeber muss das Gegenteil beweisen.

 

In Frankreich hat der oberste Gerichtshof in Paris im Urteil vom 28. November 2018

- Az. 17 - 20.079 folgenden Orientierungssatz aufgestellt:

 

Ein Fahrradkurier, der vertraglich an ein Unternehmen gebunden ist, das eine Webplattform 

und eine App nutzt, um Restaurantpartner, bei denen Kunden, die Mahlzeiten über die Plattform bestellen, und Fahrradlieferanten, die unter dem Status selbständiger Essenslieferungen arbeiten, miteinander zu verbinden, ist zumindest dann ein Arbeitnehmer, wenn die App mit einem Geolokalisierungssystem ausgestattet ist, mit dem das Unternehmen die Position des Kuriers in Echtzeit überwachen und die Gesamtzahl der von diesem zurückgelegten Kilometer aufzeichnen

und Fehlverhalten des Kuriers sanktionieren kann.

 

2) Arbeitnehmereigenschaft eines "Crowdworkers" (Nutzer einer Online- Plattform)

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Urteil vom 1.12.2020 - 9 AZR 102 / 20 folgenden Grundsatz aufgestellt:

 

" Die kontinuierliche Durchführung einer Vielzahl von Kleinstaufträgen ("Mikrojobs") durch Nutzer einer Online - Plattform ("Crowdworker") auf der Grundlage einer mit dem Betreiber 

("Crowdsourcer") getroffenen Rahmenvereinbarung kann im Rahmen der nach § 611 a Abs. 1 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses führen, wenn der Crowdworker zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist, die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert und ihre Durchführungen inhaltlich vorgegeben sind sowie die Auftragsvergabe und die konkrete Nutzung der Online - Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt wird.

 

3) Online- Vermittlungsdienste für Fahrdienstleistungen, bei dem Privatleute ihren eigenen PKW für Fahrdienste einsetzen, wobei der Online - Dienst 20 % der Einnahmen einbehält und Fahrtarife vorschreibt.

 

4) In einigen Pflegeheimen sowie Kliniken wurden Pflegekräfte als "Selbständige" beschäftigt, obwohl tatsächlich abhängige Tätigkeiten ausgeübt werden.

 

Arbeits - und sozialrechtliche Ansprüche wie Kündigungsschutz, Urlaub, Mehrarbeitsvergütung, Leistungen im Krankheitsfall, Anspruch auf ein Zeugnis, Arbeitslosengeld - und Rentenansprüche entfallen.

Der Beschäftigte muss sich selbst privat absichern.

 

Es besteht aber nur auf dem Papier eine freie Mitarbeit, der Beschäftigte erhält genaue Vorgaben. Tatsächlich werden abhängige Tätigkeiten erbracht, sodass ein weisungsgebundenes Arbeitsverhältnis vorliegt.

 

Entscheidend dafür, ob eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorliegt, sind die tatsächlichen Verhältnisse nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Es ist zu klären, ob die Beschäftigung tatsächlich weisungsgebunden oder weisungsfrei ausgeübt wird.  

 

Im Rahmen der nach § 611 a Abs. 1 Satz 5 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung sind Indizien für Weisungsgebundenheit insbesondere die Einbindung in die Arbeitsorganisation des "Auftraggebers" (z.B. Vorgabe von Arbeitszeit und Arbeitsort), das Vorliegen von Dienstanweisungen sowie die fehlende unternehmerische Freiheit des "Auftragnehmers" (Tätigkeit nur für einen "Auftraggeber").

 

Zwar ist Ausgangspunkt der Prüfung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus der gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlußfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist daher die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und nicht, was auf dem Papier steht.

 

Um die tatsächlichen Verhältnisse beweisen zu können, empfiehlt es sich dringend für den Beschäftigten, noch im laufenden Beschäftigungsverhältnis Belege für die Weisungsgebundenheit zu sammeln, wie z.B. schriftliche Dienstanweisungen.

 

So ist z.B. ein Kurierfahrer trotz vertraglicher Vereinbarung (sog. freier Unternehmer) tatsächlich abhängig beschäftigt und damit Arbeitnehmer, wenn er u.a. durch einzuhaltende detaillierte Vorgaben des Qualitätshandbuchs des Auftraggebers in dessen Arbeitsorganisation eingebunden ist.

 

Die nachträgliche Feststellung eines Arbeitsverhältnisses hat weitreichende Konsequenzen für den Arbeitgeber. Er muss die Gesamtsozialversicherungsbeiträge (d.h. auch den hälftigen Arbeitnehmeranteil) nachentrichten, der Arbeitnehmer erhält vollen Sozialversicherungsschutz.

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